Aus dem Buch „Wale – Hautnah"

Auszug aus dem Kapitel: Augenblicke

Das Auge

Menschenauge

Sie sind blau, braun, grau oder grün. Unsere Augen können strahlen, weinen, glänzen oder sogar hypnotisieren.
Für uns Menschen sind die Augen das wichtigste Sinnesorgan, denn sie sind für etwa 70 Prozent unserer täglichen Wahrnehmung verantwortlich.
Trotz aller Perfektion erreicht das menschliche Auge aber nicht die Ausstrahlung eines Walauges, denn wer einmal einem Wal oder Delfin tief in die Augen geschaut hat, vergisst diese Augenblicke nie.

Wir empfinden fast gleichzeitig Ehrfurcht, Euphorie und Bewunderung. Auch weil wir wissen, dass wir zu den wenigen Menschen gehören die jemals in die unergründlichen Augen dieser Riesen Unterwasser geschaut haben.

Doch was ist das Besondere daran, das sie uns dermaßen in ihren Bann ziehen?

An ihrer Größe kann es nicht liegen, denn die Augen der Wale und Delfine sind im Verhältnis zu ihrer Körpergröße eher klein. Sie gehören nicht zu den wichtigsten Sinnesorganen, denn das Sehvermögen aller Wale ist nicht außerordentlich gut ausgebildet und entspricht in etwa nur dem von Tiefseefischen. Manchen genügt es nur hell und dunkel zu unterscheiden, andere sind sogar vollkommen blind und bei allen ist das Farbsehen stark eingeschränkt.

Doch wie entsteht das „Sehen“?

Das Sehen

Bei allen Augen werden die einfallenden Lichtstrahlen durch die Hornhaut, weiter durch die Pupille und dann über die Linse an die Netzhaut weitergeleitet. Rezeptoren in dieser Netzhaut wandeln das Licht in elektrische Nervenimpulse um und senden diese über den Sehnerv an die Sehzentren im Gehirn. Das eigentliche Sehen funktioniert bei Walen dementsprechend wie bei uns Menschen.

“Sehen“ Wale somit das gleiche wie wir?

Schauen wir den Walen tief in die Augen entdecken wir zunächst beim Aufbau und der Struktur des Auges viele Gemeinsamkeiten mit dem menschlichen Auge.

Pottwal-Auge © Steffen

Das menschliche Auge

Unser nahezu kugeliges Auge, weshalb man auch von Augapfel spricht, hat einen Durchmesser von ca. 2,5 cm und besteht aus drei Gewebeschichten, sowie der Linse und dem Glaskörper der mit einer gallertartigen Masse gefüllt ist. Der Augapfel liegt, umgeben von einem gleitfähigen Fettkörper, gut behütet in den von den Schädelknochen gebildeten Augenhöhlen. Die drei Gewebeschichten bilden dabei die Wand des Augapfels. Die erste äußere Schicht mit der Hornhaut und der Lederhaut, die zweite mit Aderhaut und Iris und auf dem hinteren Teil die dritte Schicht mit der Netzhaut.

Die äußere Lederhaut hat eine weißliche Farbe und trägt deshalb auch den Namen „weiße Augenhaut“. Schauen wir in den Spiegel ist diese weiße Lederhaut, als das „Weiße“ in unserem Auge sehr gut zu erkennen. Sie reicht von der hinteren Eintrittsstelle des Sehnervs, umschließt den Augapfel fast vollständig, geht vorne in die durchsichtige und gefäßfreie Hornhaut über und hat die Aufgabe das Auge in Form zu halten und zu schützen. Zwischen der Lederhaut und der Netzhaut liegt auf der zweiten mittleren Gewebeschicht die Aderhaut, die mit ihren vielen Blutgefäßen die anliegenden Schichten mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgt. Wenn wir in den Spiegel schauen können wir manchmal die kleinen roten Aderhautgefäße durch das „Weiße“ in unserem Auge durchschimmern sehen.

Auffallendes Merkmal des Vorderabschnittes der Aderhaut ist die für unsere Augenfarbe verantwortliche Regenbogenhaut, auch Iris genannt. Beeinflusst wird diese durch das Pigment Melanin. Eine hohe Melaninkonzentration ergibt braune Augen, während ein geringerer Pigmentanteil die Iris, je nach Dosierung, grün, blau oder grau erscheinen lässt.

In der Mitte der Iris ist ein rundes Loch, die Pupille. Mit Hilfe von Muskeln kann die Iris die Pupille vergrößern oder verkleinern und dadurch steuern, wie viel Licht durch die Pupille auf die Linse und dahinter befindliche Netzhaut fällt.

Unsere Linse hat im entspannten Zustand die Form einer Ellipse, ist mehr flach und dünn und regelt in dieser Form das Scharfsehen für die Entfernung. Muskeln, die an der Linse mit dem Augapfel verbunden sind versetzen uns in die Lage, durch eine Wechselwirkung von Anspannung und Entspannung, die Form der Linse zu verändern und so verschiedene Krümmungsgrade zu erzeugen. Ziehen sich diese Muskeln zusammen und die Linse nimmt eine rundere Form an, können wir die Gegenstände im Nahbereich gut erkennen.

Die von der Linse gebündelten Lichtstrahlen werden, nach dem „scharf“ stellen, weiter durch den Glaskörper auf die innere Gewebeschicht des Augapfels, auf die Netzhaut weitergeleitet, wo zunächst ein umgekehrtes, verkleinertes Bild entsteht.

Die Netzhaut arbeitet dann weiter wie ein Bildbearbeitungsprogramm auf dem Computer, denn bevor das Bild weitergeleitet wird sind die Lichtrezeptoren und die Netzhautnervenzellen dafür zuständig die Bewegungen im Bild deutlicher darzustellen, den Bildkontrast zu verbessern und die Farben leuchtender zu machen.

.In der Netzhaut sitzen zudem die retinalen Ganglienzellen, Nervenzellen, deren Fortsätze als «Sehnerven» die elektrisch verschlüsselten Signale ins Hirn leiten.

Die lichte Welt hört also an der Netzhaut auf.

Licht spielt somit für unser „Sehen“ eine sehr große Rolle, damit wir uns in unserer Umwelt orientieren können.

Das Wal-Auge

Querschnitt Auge des Zahnwals  © Behrmann

Für die Wale gibt es jedoch nicht immer genügend Licht, denn die Lichtstrahlen durchdringen nur die oberen Wasserschichten und ab einer Tiefe von 400 Metern verschwinden sie ganz. Der Sehsinn der Wale kommt also nur an der Wasseroberfläche und in geringen Wassertiefen zum Einsatz. In manchen Flüssen und im Brackwasser liegt die Sicht teilweise bei null Metern, so dass der Sehsinn in diesen Gebieten ohnehin keinen rechten Sinn erfüllt. Das Auge und das Sehen hat sich bei den dort lebenden Delfinarten stark zurückgebildet, teilweise bis zur Erblindung. Wale orientieren sich Unterwasser kaum mit ihren Augen, sondern sie haben ihren Gehörsinn zum wichtigsten Sinnesorgan entwickelt.

Da im Gegensatz zu Licht, das vom Wasser stark absorbiert wird, sich der Schall im Wasser sehr viel weiter und intensiver ausbreitet, ist der Gehörsinn zur Orientierung unter Wasser ohnehin wesentlich vorteilhafter.

Doch trotz ihres geringen Sehvermögens sind die Augen der Meeressäuger Glanzstücke der Evolution. Sie haben sich hervorragend an die marinen Lebensumstände angepasst und in den Augen der Wale können wir erstaunliches entdecken, denn Hornhaut, Lederhaut, Linse, Netzhaut und vieles mehr, sogar Tränenflüssigkeit finden wir in ihren Augen wieder.

Auch für ihren Schutz ist ausreichend gesorgt, denn die weiße Außenhaut des Auges, die Lederhaut, ist bei Walen besonders dick, fast steinhart, weshalb sie auch Sclera genannt wird, welches aus dem griechischen „ Skleros = hart“ abgeleitet wird, und das Auge vor Verformungen schützen soll, während die ölige Flüssigkeit der Tränendrüsen die Hornhaut schützt.

Die menschlichen Augen sind fast kugelförmig, wobei die Augen der Wale eher mit einer Halbkugel zu vergleichen sind, da sie im vorderen Bereich deutlich abgeflacht sind. Zudem ist ihre Augenfarbe fast ausschließlich braun, da ihre Iris stark pigmentiert ist und eine hohe Melanin-Konzentration aufweist. 

Pupille-Veränderung © Naglschmid 

Mit unserer großen Farbpalette von blau über grün bis grau Augen können sie nicht konkurrieren, dagegen können sie ihre Pupillen, im Gegensatz zum Menschen, sehr unterschiedlich formen. Sie können sie von groß und rund, bei geringem Lichteinfall in der Tiefe und bei zunehmender Helligkeit bis zu einem horizontalen u-förmigen Schlitz verändern, der das aussehen einer Bohne hat.

Das Licht

Bei starkem extremen Lichteinfall beschreibt Frau Dr. Alla M. Mass die russische Expertin für Meeressäugeraugen, vom Severtsov Institute of Ecology and Evolution in Moskau, bei einigen Delfinarten, beim Grauwal und sogar beim Pottwal, Pupillen die fast geschlossen waren und nur noch an den beiden Enden der U-Form zwei kleine Löcher aufweisen.

Alla M. Mass beschreibt in ihrer Arbeit “Adaptive features of Aquatic mammels eye“ auch, das die Hornhaut der Meeressäuger nur einen sehr kleinen Teil der Unterwasser-Lichtbrechung aufnimmt und das Licht direkt an die Linse weitergeleitet wird. Die Lichtbrechung und Fokussierung des Bildes auf der Netzhaut wird also fast vollständig von der Linse durchgeführt. Deshalb ist sie, mit Ausnahme einiger Bartenwale und des Beluga, fast kugelförmig, denn durch diese starke Krümmung der Linsenoberfläche hat sie mehr Brechkraft um die Bilder auf der Netzhaut zu fokussieren.

Bei einem Besuch in Bremerhaven zeigte uns Günther Behrmann, ehemaliger Mitarbeiter des Alfred-Wegener-Institut für Polar und Meeresforschung, ein von ihm präpariertes Pottwal-Auge und die kreisrunde und sehr harte Linse, sah aus und fühlte sich an wie eine große Murmel.

Pupille eines Delfins © Steffen

Die Linse

Linse Kugel © Steffen

Zusätzlich entdeckten die beiden Forscher Ronald H.H. Kröger von der Lund Universität in Schweden und Kuno Kirschfeld vom Max Planck Institut für biologische Kybernetik in Tübingen, dass die Meeressäuger aufgrund der schlecht ausgebildeten Ziliarmuskeln die Form der Linse nicht verändern können. Sie sind also gar nicht in der Lage, wie wir Menschen, durch unterschiedliche Krümmungsgrade der Linse ihr Bild „Scharf“ zu stellen. Sie verfügen dafür aber über einen sehr massiven speziellen Augenmuskel, den Muskulus Retraktor Bulbi, übersetzt etwa „Zurückzieher des Auges“, der manschettenartig um den Sehnerv verläuft und der uns Menschen fehlt.

Mit ihm können die Wale den Augeninnendruck verändern um den Augapfel nach innen zu ziehen oder wieder nach vorne zu bewegen und somit die Linse axiale zu verschieben.

Wird das Auge nach innen gezogen erhöht sich der Augendruck und die Linse wird nach vorne geschoben, bewegt sich das Auge wieder nach vorne, sinkt der Augendruck und die Linse verschiebt sich nach hinten.

In den achtziger Jahren nahmen die Wissenschaftler an, dass dieses Verschieben der Linse dafür verantwortlich sein könnte im als auch außerhalb des Wassers scharf zu sehen. Durch neuere Untersuchungen stellten sie jedoch fest, dass wahrscheinlich die Hornhaut mit ihrer ungewöhnlichen Form dazu beiträgt die Augen der Wale für das Sehen im Wasser und in der Luft gut anzupassen. Bestätigt wird diese Theorie auch von dem Augenarzt und Wissenschaftler Bert van der Pol aus Groningen in den Niederlanden, der sich auf die Untersuchungen von Meeressäuger Augen spezialisiert hat, denn er modellierte ein Computerprogramm und mit Hilfe der Daten von Kröger und Kirschfeld kombinierte es mit seinen Beobachtungen.

Die Hornhaut

Dabei entdeckte er, dass die Hornhaut der Wale im Zentrum mehr nach innen als nach außen gewölbt und nicht einheitlich dick ist. In der Mitte ist sie dünner und wird nach außen hin dicker, dabei ist sie aber sehr flach was unter Wasser sicherlich Vorteile bietet aber in der Luft dazu führt, dass die Wale mit bis zu minus 15 Dioptrien extrem kurzsichtig sein sollten.

Das Walauge hat sozusagen negative Kontaktlinsen in der Hornhaut eingebaut. Fast alle Wale haben somit das Problem der Kurzsichtigkeit gelöst. Bei Untersuchungen an Pottwalaugen hat man diese Art der Hornhaut Veränderungen jedoch bisher nicht nachweisen können.

Unter Wasser sind die Meeressäuger durch die runde Linse und diese Form der Hornhaut mehr oder weniger normalsichtig und in der Luft wirkt diese nach innen gewölbte Hornhaut wie eine stark negativ brechende Linse, die die Kurzsichtigkeit somit größtenteils neutralisiert. 

Cornea © Bert van der Pol

Die Schärfe

Aber nicht nur der Pottwal, sondern auch wir Menschen besitzen nicht diese Fähigkeit einer eingebauten negativen Kontaktlinse, denn wir alle haben schon die Erfahrung gemacht, dass mit geöffneten Augen Unterwasser für uns alles unscharf und verschwommen erscheint.

Der Grund dafür liegt in der unterschiedlichen optischen Dichte von Wasser und Luft. Um bei uns Menschen ein scharfes Bild entstehen zu lassen wird das Licht bereits an der Oberfläche der Hornhaut gebrochen, die es dann an die Linse weiterleitet. Diese wiederum leitet es gebündelt auf die Netzhaut, an den gelben Fleck, den Punkt des scharfen Sehens. Hierbei muss der Abstand zwischen Objekt, Augenlinse und Netzhaut in einem bestimmten Verhältnis zueinander stehen.

Durch Krümmung der Linse können wir die Brennweite verändern und somit den Abstand zwischen Objekt und Linse scharf stellen. Durch die festgelegte Linsengröße des Auges kann jedoch der Abstand der Augenlinse zur Netzhaut niemals verändert werden.

Durch die höhere Dichte des Wassers wird Licht beim Eintritt von Luft in Wasser gebrochen und gestreut. Es trifft unterschiedlicher auf die Hornhaut als in der Luft. Unsere Linse muss sich nun wesentlich stärker anpassen um den Abstand zwischen Objekt und Linse scharf zu stellen. Das gelingt ihr jedoch nur bedingt und dadurch wird das Bild, welches sie an die Netzhaut, weiterleitet nicht mehr im richtigen Abstand transportiert. Das entstandene Bild landet somit quasi hinter der Netzhaut und wir sehen es verschwommen.

Die Wale haben dies Problem mit der sogenannten negativen eingebauten Kontaktlinse gelöst. Wollen wir unter Wasser scharf sehen, bräuchten wir eine Brille mit 40 Dioptrien oder wir setzen einfach eine Taucherbrille auf. Dadurch entsteht vor der Hornhaut wieder die normale Dichte von Luft und unsere gewohnte Lichtbrechung. Wir sehen wieder klar.

Die Farbe

Meeressäuger sind jedoch nicht nur stark kurzsichtig, sie sind sogar gegenüber uns Menschen und anderen Säugetieren, farbenblind.

Für  unser  Farb- und Lichtsehen sind  etwa 127 Millionen Zellen der Netzhaut verantwortlich. 120 Millionen dieser Zellen sind sogenannte Stäbchen die sehr lichtempfindlich sind und nur hell und dunkel unterscheiden können. Die anderen 7 Millionen werden Zapfen genannt und in drei Arten unterteilt. Sie sprechen jeweils auf das  Licht des blauen, des grünen und des roten Wellenlängenbereiches an weshalb man bei uns auch von einem trichomatisches Farbsehen spricht. Aus Mischungen dieser drei Grundfarben sind wir in der Lage fast zehn Millionen Farbtöne zu unterscheiden.

Die meisten Säugetiere besitzen nur zwei Zapfentypen, nämlich die Blau – und Grünzapfen. Einige haben  nur Blau und Rotzapfen. Dieses Bichromatische Farbsehen ist gewissermaßen die Grundausstattung der Säugetiere. Doch zwei große Gruppen der Meeressäugetiere, die Wale und Robben, fallen aus diesem Muster völlig heraus. 

Leo Peichl vom Max-Plank-Institut für Hirnforschung, Günther Behrmann vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven sowie Ronald Kröger aus Schweden stießen bei gemeinsamen Untersuchungen von 14 verschiedenen Arten von Zahnwalen, Seehunden und Seelöwen auf ein erstaunliches Defizit. Walen und Robben fehlen sogar noch  die Blauzapfen. Sie besitzen lediglich eine einzige Zapfenart, nämlich die Grünzapfen. Sie sind somit Zapfen–Monochromaten und praktisch farbenblind.

Die Netzhaut

Für die Pottwale dürfte der Verlust der Blauzapfen sowieso ohne Belang sein, denn ihre meiste Zeit verbringen sie mit Tauchen und in die Tiefen in die sie vordringen, spielen Farben und Licht ohnehin keine große Rolle mehr.

Tapetum © Bert van der Pol

Um jedoch noch in geringeren Tiefen das Restlicht effizienter zu nutzen, haben die Wale eine reflektierende Spiegelschicht, das Tapetum lucidum entwickelt, welche hinter der Netzhaut liegt. Zweifellos kennen wir alle die hell grün aufleuchtenden Augen einer Katze oder des Hundes wenn sie abends von den Strahlen einer Autolampe oder vom Blitzlicht eines Fotoapparates angeleuchtet werden. Diese lichtverstärkende Schicht dient dazu das einfallende Licht einzufangen und wieder zurückzuwerfen, wobei das Licht erneut die Netzhaut passiert.

Dieses Hin und Her verbessert die Lichtempfindlichkeit, denn die Sinneszellen auf der Netzhaut haben damit eine zweite Chance, auf das einfallende Lichtquantum zu reagieren und somit besser und mehr zu verwerten. Viele nachtaktive Landsäugetiere besitzen dieses Tapetum lucidum, bei den Meeressäugern besteht lediglich der Unterschied darin, dass ihres etwas grauer anstatt grün aufleuchtet.

Das Tapetum deckt bei allen Walen zumindest die oberen zwei Drittel des Augenhintergrundes ab, bei einigen sogar den gesamten Bereich. Solch eine vollständige Abdeckung des Augenhintergrundes ist unter den Säugetieren bei den Walen einzigartig.

Aber die Wale haben die Forscher noch mehr zum Erstaunen gebracht, denn auf der Netzhaut der Wale entdeckte man zwei gelbe Flecken und damit zwei Stellen des schärfsten Sehens, die Makula lutea. Das menschliche Auge besitzt nur eine Makula und dieser winzige Punkt auf unserer Netzhaut ist mit seinen 147 000 Sehzellen pro mm2 zuständig für das wesentliche Sehen wie das Lesen und das Erkennen von Einzelheiten. Die gesamte restliche Netzhaut nimmt nur hauptsächlich Umrisse, Geschwindigkeiten und Kontraste von Hell und dunkel wahr.

Zwischen diesem gelben Fleck und dem Glaskörper haben wir eine Art Schleimbeutel, eine domförmige Struktur die man Bursa nennt. Diese Bursa kann je nach Verflüssigungsgrad des Glaskörpers unterschiedlich voluminös sein. Alla Mass hat bei den Meeressäugern anhand von Zählungen der Ganglienzellen der Netzhaut herausgefunden, dass sie eben über zwei Makulae verfügen. Erstaunlicherweise liegen diese beiden Flecken auch direkt gegenüber den zwei kleinen Löchern welche die Pupille bildet, wenn sie sich sehr stark verengt. Bert van der Pol hat diese Auffassung bestätigt, da er ebenfalls durch seine speziellen Untersuchungsmethoden zwei dieser domförmigen Strukturen entdeckt hat. Sehen Wale also schärfer, weil sie über zwei Makulae in jeweils einem Auge verfügen?

Zum weiteren Verständnis eines Pottwalauges kontaktierten wir daher Bert van der Pol, der das Auge eines 1994 auf der Insel Baltrum gestrandeten Pottwales bis ins kleinste Detail untersuchen konnte.

Pupille © Bert van der Pol

Das Pottwalauge

Retina © Bert van der Pol

Das Auge dieses Pottwales hatte ein Gewicht von 120 Gramm und nur einen Äquatorialdurchmesser von 62 mm. Der Pottwal als größtes lebende Raubtier auf Erden, hat also ein verhältnismäßig kleines Auge und verglichen mit seiner enormen Körpergröße hat es nur einen Anteil von 0,0003 % seines Körpergewichtes, während unser Auge mit 0,01 % im Verhältnis einen wesentlichen größeren Anteil hat.

Um das Innere dieses Auge zu untersuchen, musste van der Pol erst die starke dicke weiße äußere Lederhaut von 17 mm durchschneiden, die sich als so steinhart erwies, dass er dazu sogar eine Säge benötigte, dabei aber noch so vorsichtig arbeiten musste um die dünne Hornhaut für weitere Untersuchungen nicht zu beschädigen. Die Hornhaut dieses Pottwalauges erwies sich mit 15 mm nur wenig größer als die menschliche Hornhaut mit 11 – 12 mm.

Im toten Zustand war die Hornhaut bereits eingefallen und ruhte direkt auf der harten kugeligen Linse. Die Iris dieses Pottwales war ebenfalls, wie bei den meisten Meeressäugern, braun und seine Pupille hatte die Form eines Hufeisens.

Der Glaskörper war gefüllt mit einer öligen Masse, die wesentlich zäher und dichter ist als bei uns Menschen. Der Augeninnendruck war bei diesem Tier nicht mehr zu messen, denn bei toten Tieren ist er innerhalb weniger Minuten bei null, während es bei toten Menschen Stunden dauern kann bis er sich abgesengt hat.

Am hinteren Augapfel konnte van der Pol auch den Sehnerv, ein gewaltiges Bündel aus Nervenfasern der an der Netzhaut austritt, freilegen. Er brachte es auf eine stolze Länge von fast einem Meter.

Dagegen erreicht der menschliche Sehnerv gerade mal 4,5 cm. Erstaunlicherweise war der 2,5 mm große Durchmesser dieses Sehnerv dabei nur wenig größer als der eines Menschen mit seinen

1,5 mm. Der Sehnerv, sowie ein großer Teil des hinteren Auges, war in einem Stützgewebe eingebetet das ein dichtes verzweigtes Netz von Blutgefäßen und Bluthöhlen bildete, dass sogenannte Wundernetz. Wissenschaftler sind der Meinung, dass dieses System der vielen Blutgefäße dazu dient, die Temperatur der sehr feinen Sinneszellen der Netzhaut zu regulieren, denn diese haben nur eine sehr beschränkte Temperaturtoleranz.

Bei seinen Tieftauchgängen hat der Pottwal nämlich mit großen Temperaturunterschieden zu kämpfen. Während es an der Wasseroberfläche in tropischen Gewässern schon mal 28 Grad warm sein kann, herrschen in der Tiefe von 1000 bis 2000 Metern gerade mal lausige 2 Grad.

In diesen Tiefen, die man sicherlich aus unserer Sicht und für unsere Verhältnisse zu recht den Vorhof zur Hölle nennen kann, ist es nicht nur kalt sondern auch stockfinster.

Die Augen der Wale sind klein, extrem kurzsichtig und dazu sind sie noch Farbenblind. Wale können nicht weinen, sie haben noch nicht einmal Wimpern doch trotzdem besitzen ihre Augen eine Ausstrahlung die ihresgleichen sucht.

Und wenn ihre Augen uns anschauen sind das Augenblicke für die Ewigkeit…

Sehnerv © Steffen

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