Aus dem Buch „Pottwale – im dunklen Blau des Meeres"

Auszug aus dem Kapitel: Geschmacksache

Die Zunge

Es dauert viele Monate bis die Jungen von der Mutter gelernt haben Beute in ausreichender Menge zu jagen. Solange wird sie ihn weiter säugen, auch wenn er schon selbst den einen oder anderen Fisch gejagt hat. Ist er erfolgreich, werden sie ohne zu kauen im Ganzen heruntergeschluckt.

Bei ausgewachsenen, erlegten Pottwalen hat man in den Mägen Tintenfische und sogar ganze Haie unzerkaut gefunden. Die Gebisse aller Zahnwale sind reine Fanggebisse und zum Kauen nicht geeignet. Dementsprechend sind auch die Muskeln entwickelt. Die für die Kaubewegungen zuständigen Muskeln sind nur noch als Reste vorhanden, während sich die Schließmuskeln des Mundes sehr verstärkt haben und ausgeprägt zu erkennen sind.

Mit heruntergeklapptem Unterkiefer, der einen Öffnungswinkel von bis zu 90o erreicht, können die Pottwale mit kräftigen Bewegungen ihrer Zunge die Beute regelrecht einsaugen. Bei den Untersuchungen von Pottwalzungen hat Alexander Werth vom Hampden-Sydney Collage in Virgina herausgefunden, dass kräftige Muskeln mit dem Kiefer verwachsen sind, welche eine rasche Vor- und Rückbewegung der kurzen, flachen Zunge ermöglichen. Der dadurch erzeugte Unterdruck befördert die Beute somit direkt in den Schlund.

Durch weitere gezielte Untersuchen von Günther Behrmann  ist nachgewiesen, dass die Zunge der Pottwale sehr beweglich ist und der innere Teil aus drei Muskeln besteht. Diese Muskeln sind von einem Schwellkörper bedeckt, der durch das Blutsystem in seiner Größe verändert werden kann. 

Der Geschmack

Weil man bei früheren Untersuchungen keine Geschmacksknospen fand, unterstellte man den Walen fehlenden Geschmackssinn. Erst als Delfine bei Fütterungen in Delfinarien bestimmte Fische bevorzugten, suchte man nach Geschmacksknospen. Weil diese aber nicht wie beim Menschen auf der Zunge liegen, sondern auf Papillen die den Zungenrand säumen, wurden Sie erst sehr spät entdeckt.

Der Geschmackssinn ist ihnen also erhalten geblieben, dagegen wurde der Geruchssinn stark zurückgebildet.

Das Riechen

Doch was für eine Bedeutung haben Riechen und Schmecken unter Wasser?

Riechen ist das Aufspüren chemischer, in der Luft verteilter Substanzen, die von entfernten Verursachern ausgehen. Schmecken dagegen bedeutet das Erkennen chemischer Substanzen, die in Flüssigkeit aufgelöst sind und mit dem Mund in Berührung gebracht werden. Beide Sinne beruhen also auf chemischen Reizungen. Im Wasser ist die Unterscheidung zwischen Riechen und Schmecken für Wale nicht möglich, da sie ihre Nase, das Blasloch, unter Wasser ständig geschlossen halten. Nur wenn sie zum Atmen an der Oberfläche sind, öffnet sich das Blasloch. Das Einatmen geht aber so schnell, dass das Riechen auch nur von sehr beschränktem Nutzen sein würde.

Der Riechnerv ist bei allen Walen stark zurückgebildet. Daraus schlossen die Forscher, dass Wale nicht riechen können. Daher hielt man es nicht für nötig die Riechzonen weiter zu untersuchen.

Trotzdem hat Günther Behrmann bei ausführlichen Untersuchungen festgestellt, dass die Wale zwar ihren zum Hirn führenden Riechnerv komplett zurück entwickelt haben, ihre Riechfelder in der Nase aber erhalten haben und die Riechzellen noch voll funktionstüchtig sind.

Diese Riechzellen haben eine längliche Form und verfügen alle über ein Sinneshaar, welches viele Poren (Chemorezeptoren) hat, die über den Trigeminusnerv mit dem Hirn verbunden sind. Aber auch wenn die Riechzellen noch voll funktionstüchtig sind, bedeutet das nicht, dass Wale riechen können. Man kann diesen Zustand mit einem

Menschen vergleichen, bei dem der Riechnerv durchtrennt wurde. Auch bei ihm sind die Riechzellen noch voll entwickelt aber trotzdem kann er keine Gerüche mehr wahrnehmen.

Für die Nahrungsaufnahme ist das Riechen für die Wale somit ungeeignet, dafür nutzt der Wal seinen ausgeprägteren Geschmackssinn. Dieser dient ihm jedoch nicht nur zum Nahrungserwerb, sondern auch zum Aufspüren eines paarungsbereiten Partners. Ist ein Weibchen paarungsbereit, sendet es Duftstoffe aus die vom Männchen über den Geschmackssinn aufgenommen werden.

Die Sexualstoffe werden somit von den Walen „geschmeckt“.

Die Rezeptoren

Bei seinen Forschungsarbeiten hat Günther Behrmann auch entdeckt, dass in der Haut der hochsensiblen Zunge nicht nur Geschmacksknospen liegen, sondern auch viele Nervenenden, die man bisher vergleichbar nur bei gründelnden Enten und  Spechten nachgewiesen hat. Er ist überzeugt davon, dass die Zunge dem Wal somit auch als Tastorgan dient.

Ferner wurden auf der Zunge Elektrorezeptoren nachgewiesen, die sonst nur von den  Seitenlinienorganen der Fische und den Lorenzinischen Ampullen am Kopf der Haie bekannt sind. Mit diesen Rezeptoren können die Tiere elektrische und magnetische Wellen wahr nehmen. 


Den Nachweis dieser Fähigkeiten konnte ich 1977 selbst beobachten. Bei den Dreharbeiten zu einer Fernsehdokumentation des Hessischen Rundfunks über Haie, nahm ich als Sicherungstaucher teil. Zum Nachweis der Wahrnehmungsfähigkeit präparierten Sigurd Tesche und sein Filmteam unter den Anweisungen des verantwortlichen Redakteurs Joachim Bublath einen Behälter, der schwache elektrische Impulse aussandte.

Schon fanden sich die ersten Haie ein, die neugierig den Behälter umkreisten. Bald darauf waren es bereits mehr als ein Dutzend Haie, die immer wieder durch das Anstupsen mit dem Maul diesen Behälter attackierten, obwohl weder Fisch noch Blut in ihm enthalten war. 

Die englische Walforscherin Professor Klinowska entdeckte 1986, dass Strandungen  sich an Orten  häuften, an denen erdmagnetische  Anomalien auftraten. Dadurch lässt sich auch ein Zusammenhang der nachgewiesenen Elektrorezeptoren auf der Zunge und dem Registrieren der erdmagnetischen Wellen nachweisen.

Das Schlucken

Neben den vielen anderen Funktionen dient die Zunge dem Pottwal natürlich auch zum geschmacklichen Erfassen seiner Beute. Einmal im Maul wird sie als Ganzes heruntergeschluckt. Sie wird direkt in den Schlund befördert und gelangt von dort in die Speiseröhre. In der Speiseröhre liegt aber auch noch der Kehlkopf, der diese praktisch in zwei Hälften teilt. 

Die verschluckte Beute, und dies können Brocken bis zur Größe eines Haies oder Riesenkalmars sein, muss  somit erst einmal einen Weg finden, um in der Speiseröhre am Kehlkopf vorbei zu rutschen. Wenn wir uns die Zwischenräume zwischen Kehlkopf und Speiseröhrenwand ansehen, ist dort nicht sehr viel Platz. Dies lässt also vermuten das die Speiseröhre sich noch weit ausdehnen kann. 

Beim Herunterschlucken der Beute wird gleichzeitig der  Kehlkopf  in den Nasenhof nach oben geschoben und dort von einem Ringmuskel festgehalten, so dass kein Wasser in die Atemwege eindringen kann und ein Verschlucken verhindert wird. 

Kehlkopf © Steffen

Die Kehlkopftube ist bei allen Walen, außer dem Pottwal, lang genug um, bis in den Nasenhof zu reichen. Auch hier hat Günther Behrmann  beim Pottwal wieder eine weitere Abweichung zu allen anderen Walen entdeckt. Seine Kehlkopftube  ist zu kurz um direkt bis in den Nasenhof zu reichen. Dafür wird sie aber zusätzlich von einem Ringmuskel  geschützt, der ersatzweise das Eindringen von Wasser verhindert. 

Der Magen

Speiseröhre eines Wals © Steffen

Die erste Magenkammer ist abgerundet, etwa 1 Meter im Durchmesser mit einer dicken, gefalteten Muskelwand. Die zweite Kammer ist langgezogen, etwa 1,5 x 0,5 Meter groß und enthält viele Drüsen. Die dritte Magenkammer ist darmförmig und geht direkt in den Darm über, der bei ausgewachsenen Tieren eine Länge von 250 Meter erreichen kann. Wenn man dagegen den Darm eines Menschen betrachtet, der gerade einmal eine Länge von 3,5 Meter erreicht, wirkt er dagegen wie ein Regenwurm.

Im weiteren Verlauf der Speiseröhre weitet sich diese anschließend zu einem Kropf aus. Ehemals hielt man diesen Kropf bereits schon für einen Vormagen, denn die Wale besitzen alle einen mehrkammerigen Magen. Dieser ist beim Pottwals dreiteilig.

Darm eines Pottwals © Behrmann

Der Darm

Ambra-Klumpen © Steffen

Gelegentlich findet man im Darm von Pottwalen ein ungewöhnliches Produkt, das so genannte Ambra. Frisches Ambra ist eine dunkle Substanz, oft wachsartig und in hoher Konzentration sehr übelriechend. Es wird heller und verliert an Gewicht, wenn es austrocknet und nimmt dann den typischen moschusartigen Geruch an, der in der Parfümindustrie heute als begehrter Geruchsträger gilt. Das Vorhandensein von Tintenfischschnäbeln und anderen Abfallstoffen in den Ambraklumpen deutet daraufhin, dass Ambra eine spezielle Verarbeitung unverdaulicher Nahrungsreste und somit eine Exkrementbildung darstellt.

Der Rest der verdauten Nahrung wird als „Walshit“ ausgeschieden.

Pottwale müssen aber nicht nur fressen, sie brauchen auch Flüssigkeit.

Das Trinken

Da sie keine Möglichkeit haben Süßwasser aufzunehmen, decken sie ihren Flüssigkeitsbedarf über die Nahrung. Die Fische, die sie fressen, haben einen Salzgehalt, der um zwei Drittel geringer ist als das Meerwasser und deren Körperwasser kann in den Nieren der Pottwale somit besser verarbeitet werden. Wale, die aber monatelang keine Nahrung zu sich nehmen, decken ihren Flüssigkeitsbedarf aus ihrer Speckschicht, dem so genannten Blubber. Wal-Babys, die noch ausschließlich gesäugt werden und noch keine Fische fressen können, bekommen über die Muttermilch das Süßwasser, welches sie benötigen.

Auch wenn die Muttermilch zu 50 % aus Fett besteht und dickflüssig wie Creme Fraiche ist, enthält sie dafür fast keinen Zucker. Wenn die Walbabys nun die Muttermilch zu sich nehmen und das Fett in ihrem Körper abgespalten wird, entsteht als wesentliches Nebenprodukt Wasser. Auf diese Weise trinken die Babys ohne dabei der Mutter selbst viel Wasser zu entziehen.

Die Nieren

Niere © Steffen

Das Wasser wird nun vom Wal „verarbeitet“ und gelangt dann zum Schluss in die Nieren. Dort wird es mit den darin gelösten Stoffe( wie z.B. Glucose) teilweise wieder dem Blut zugeführt und das verbleibende restliche Wasser mit den übrigen gelösten Stoffen, wie Mineralsalze und Harnstoff, bildet dann den Urin. Dieser ist erheblich konzentrierter als beim Menschen. Der Urin ist aber auch noch bei einigen Walarten von anderer Bedeutung.

So werden die Harnsäurekristalle des Urins in der Haut eingelagert und sind somit die Grundlage der strahlend weißen Hautfarbe, wie z.B. bei den Weißwalen oder den Flanken der Schwertwale.

Die Nieren der Wale bestehen eigentlich aus einer Vielzahl kleiner Nieren. Durch diese Anordnung vergrößert sich deren Oberfläche, was die Wale in die Lage versetzt, größere Mengen Blut zu reinigen. Jede kleine Niere ist somit ein selbständiges Organ. Die Größe der gesamten Niere bei den Pottwalen schwankt von 50 x 25 cm bis zu einer Länge von 120 cm. Das Gewicht beträgt 12 kg bei kleineren Pottwalen und bis zu 20 Kg bei größeren Tieren.

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