Aus dem Buch „Pottwale – im dunklen Blau des Meere"

Auszug aus dem Kapitel: Liebe und Sex

Geschlechtsreife

Letztes Jahr konnten wir z.B. einen großen ausgewachsenen männlichen Pottwal beobachten, der erst vor ein paar Tagen angekommen war und sich noch keiner Begleitung angeschlossen hatte. Im Laufe des Vormittags sahen wir ihn 2-mal mal aus dem Wasser springen, was bei seiner Größe schon sehr imposant wirkte. Nachmittags fanden wir unseren großen starken einsamen Pottwal gar nicht mehr so einsam wieder. Er hatte eine stolze Gruppe von insgesamt 11 Pottwalen um sich herum versammelt. Darunter viele Weibchen, einige junge Pottwale und auch ein Baby. Mit seinen ca. 17 Metern war er mit Abstand der imposanteste Pottwal in dieser Familie. Hat er nun mit seinen Sprüngen am Vormittag die anderen Wale auf sich aufmerksam gemacht, hat er sie dadurch vielleicht sogar zusammengerufen? Fakt ist, das wir ihn Tage vorher und noch am Morgen alleine schwimmen sahen, nach den Sprüngen hatte er jedoch eine ganze Familie um sich versammelt.

Sein Interesse galt natürlich nur den paarungsbereiten Weibchen, denn das ist ja der Grund seiner langen Reise aus der Arktis hierher, nach Dominika. Er möchte sich paaren, was sich jedoch bei einem ausgewachsenen Bullen von seiner Größe als nicht sehr einfach erweist.

Bei männlichen Pottwalen setzt die Pubertät bei einem Durchschnittsalter von 9 Jahren ein, wenn sie eine Größe von 9 – 10 Metern erreicht haben. Die Spermatogenese, die Geschlechtsreife also, ist aber erst mit einem Alter von ca. 20 Jahren abgeschlossen.

Die Geschlechtsreife bei den weiblichen Pottwalen beginnt jedoch schon weitaus früher. Mit einem Durchschnittsalter von 9 Jahren und einer Größe von 9 Metern nehmen sie bereits an der Fortpflanzung teil. Die geschlechtsreifen Weibchen haben ihren Eisprung in der Regel im Frühjahr (Januar bis Juli). Vor den Azoren ist z.B. der Höhepunkt der Paarungen zwischen März und Mai beobachtet worden.

Geschlechtsorgane

Penis eines Pottwals unter Wasser © Steffen

Die Hoden liegen wie bei den Reptilien hinter den Nieren oberhalb der Blase. Sie sind in einem dicken, von vielen Blutgefäßen durchzogenen Hodensack eingebettet und werden ausreichend mit stark abgekühltem Venenblut aus der Fluke gekühlt. Während der Geschlechtsreife nimmt die Hodengröße beträchtlich zu.

Der Penis eines geschlechtsreifen Pottwalbullen ist bis zu zwei Meter lang. Er ist mit dem Beckenknochen verankert und liegt im Ruhezustand S-förmig innerhalb der Bauchhöhle. Der vordere Penisteil, umgeben von einer stark gefalteten Vorhaut, liegt in der Penistasche, die mit einem schmalen länglichen Schlitz nach außen verschlossen ist, dem so genannten Genitalschlitz. Hierdurch wird bei der Erektion der begradigte Penis nach außen gestülpt, der mithilfe eines kräftigen Rückziehmuskels wieder in die Bauchhöhle zurück gezogen werden kann.

Penis eines gestrandeten Pottwals  © Steffen

Hoden eines Pottwals © Steffen

Weibliche Organe eines Wals © Behrmann

Die Größe der Hoden ist aber auch bei anderen Walarten von Bedeutung. Bei Männchen, die um ein bestimmtes Weibchen kämpfen und ihre Rivalen in die Flucht schlagen, wie z.B. bei den Buckelwalen, sind die Hoden relativ klein. Bei Männchen, die sich aber so oft wie nur möglich mit vielen Weibchen paaren und ihre Rivalen nicht behindern, wie das bei den Glattwalen beobachtet wurde, sind die Hoden sehr viel größer.

Der Schwellkörper des Penis ist von elastischem und kollagenem Gewebe umgeben, das von Blutgefäßen und Nerven durchzogen und von einer dicken Schicht Muskelpaketen ummantelt ist. Eine vergleichbare muskulöse Ausstattung des Penis besitzen auch Kamele. Der Schwellkörperanteil des verhältnismäßig sehr langen und beweglichen Penis ist aber im Vergleich zu anderen Säugetieren sehr gering.

Die weiblichen Geschlechtsorgane sind für Säugetiere typisch. Die Eierstöcke (Ovarien) liegen ungefähr an der gleichen Stelle wie bei den männlichen Tieren die Hoden. Die Gebärmutter ist mit denen von Fleischfressern und Schweinen vergleichbar, entwickelt sich jedoch bei Zahn- und Bartenwalen etwas anders. Bei nicht geschlechtsreifen Walen besteht die Gebärmutter noch aus zwei so genannten Uterushörnern die gleich ausgebildet sind.

Später entwickelt sich bei den Zahnwalen das linke Uterushorn jedoch breiter, weil sich dort im Allgemeinen der Fötus entwickelt. Bei den Bartenwalen dagegen kann sich der Fötus in beiden Uterushörnern entwickeln.

Die Einnistung des befruchteten Ei in der Schleimhaut erfolgt sehr locker und hat somit den Vorteil, dass nach der Geburt nur geringe Nachblutungen entstehen. Der relativ lange Gebärmutterhals ist mit einer dicken muskulösen Wandung ausgestattet und erstreckt sich bis ins Innere der Vagina. Die Vagina geht in einer langgestreckten, mit zwei Lippenpaaren versehenen Falte (Vulva) über, die direkt vor dem After liegt.

Muttermilch

Die beiden länglichen Milchdrüsen, die bis zu 120 cm lang werden, liegen beiderseits der Vaginalspalte und schwellen bei einem stillenden Muttertier beträchtlich an, sodass sie eine leichte von außen sichtbare Erhebung bilden. Die beiden Zitzen, die normalerweise in zwei kleinen Spalten liegen, treten beim Säugen hervor. Ein Kontraktionsmuskel ermöglicht es, die Milch unter Druck herauszuspritzen, denn die Jungtiere besitzen keine beweglichen Lippen, sie können darum nicht selber saugen. Die Muttermilch wird ihnen in den Mund gespritzt. Während das Baby die Zitzen fest umschlossen hält, stößt es immer wieder kräftig gegen die Muskeln und aktiviert somit den Ausstoß der Milch. Je kräftiger es also pumpt, umso mehr Milch wird ihm in den Mund gespritzt. Das feste Umschließen der Zitzen mit dem Maul verhindert auch, dass beim Säugen Salzwasser mit geschluckt wird.

Die Muttermilch der Wale besteht aus 40 – 50% Fett (im Gegensatz zu den Landsäugern mit 2 – 17 %). Sie hat einen hohen Anteil an Eiweiß, Phosphor und Calcium aber weniger Wasser und Milchzucker (1-2%) als die Milch der Landsäuger.

Milchdrüsen © Steffen

Anhand derDistanz der Säugeschlitze kann z.B. auch bei einem trächtigen Delfin der Geburtstermin vorausgesagt werden. Bei in Delfinarien gehaltenen Delfinen wird bei den trächtigen Weibchen kurz vor der Geburt täglich der Abstand der Säugeschlitze gemessen. Normal ist ein Abstand von 40 mm. Doch wenn die Geburt kurz bevor steht, beträgt der Abstand 60 mm. Neben dem Abfallen der Körpertemperatur von normal 98 – 99o Fahrenheit (36,7 o – 37,2o Celsius) auf 96 o Fahrenheit (35,6o Celsius) sind dies sichere Anzeichen, dass die Geburt kurz bevor steht.

Paarung

Doch wie schafft es nun ein ausgewachsener Pottwalbulle von 18 – 20 Meter Länge, mit seinem zwei Meter langen Penis, der sich ja dann ungefähr 10 – 12 Meter von seinen Augen entfernt befindet, die noch weiter entfernte Vagina zu finden um sich zu paaren? Und das alles ohne Hände?

Wie bereits vorab beschrieben wird der Penis der Wale mit Hilfe von vielen Muskeln bewegt. Damit sind zwar seine Bewegungen erklärbar, nicht aber, wie diese Bewegungen koordiniert werden.

Günther Behrmann schrieb 1994 eine äußerst interessante Abhandlung über die „Bewegungskoordination des Penis während der Kopulation“. Hierzu wurden Schweinswale von ihm untersucht und seine Ergebnisse hieraus waren einzigartig.

Die Penisspitze enthält keine Muskeln mehr und der Schwellkörper ist hier nur noch von Bindegewebe umgeben, welches aber viel stärker durchblutet ist. In diesem Bindegewebe liegen viele Nervenendkörperchen wie sie z.B. bei Zahnwalen in der Nasenspitze oder bei Menschen in den Fingerspitzen zu finden sind.

Die Haut der Penisspitze ist nur 0.5 – 1mm dick, nagelartig mit der darunter liegenden Gewebeschicht verbunden und von einer Schleimhaut bedeckt. Soweit ist alles mit anderen Säugetieren vergleichbar. Günther Behrmann stieß jedoch bei seinen Untersuchungen auf bisher nie entdeckte Sinneshaare, welche die Penisspitze (Glans) pelzartig bedecken. Um die 150 solcher Sinneshärchen liegen auf einem Quadratmillimeter. Im Zentrum eines jeden Sinneshaars liegt ein Tubus, der als Versorgungskanal angesehen werden kann. Jedes Sinneshaar trägt ungefähr etwa 2500 bis zu einem Tausendstel Millimeter große Chemorezeptoren. Diese können nun die von der Vagina ausgehenden Duftstoffe erfassen. Der Walpenis wird dadurch aktiv von diesen Chemorezeptoren gesteuert und findet so seinen Weg zur Vagina.

Diese Methode ist einzigartig im Tierreich

Penisspitze eines Pottwals © Steffen

Nach erfolgreicher Fortpflanzung findet die Geburt der Jungen nach einer Tragzeit von ungefähr 15 Monaten statt. Pottwale gebären in der Regel auch nur alle vier bis sechs Jahre ein einzelnes Kalb. Bedenkt man nun, dass nur 10 –15% der geschlechtsreifen Männchen an der Fortpflanzung teilnehmen und wegen der langen Trag- und Stillzeit nur etwa 35% der geschlechtsreifen weiblichen Pottwale zur Paarung bereit sind, ist die Schwangerschaftsrate die Niedrigste im gesamten Tierreich. Durch die Jagd auf Pottwale wird sie sogar noch erheblich negativ beeinflusst. Nach 15 Monaten wird ein einziges Kalb geboren und nach frühestens 3 - 4 Jahren würde das Muttertier wieder gebären. Der Mensch braucht heute nur 20 Minuten um einen einzigen Pottwal zu töten. Dies selbstverständlich nur zu wissenschaftlichen Zwecken.

Diese Methode wiederum ist einzigartig bei uns Menschen.

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