Physeter numeros – Pottwalzählungen

Eine der häufigsten Fragen, die an uns gerichtet wird, ist die nach aktuellen Bestandszahlen der Pottwale. Leider können wir sie nicht beantworten. Denn gerade die Pottwale, die meistens fern der Küsten leben und in fast allen Weltmeeren zu Hause sind, entziehen sich gründlich einer auch nur annähernd seriösen Schätzung.

Wie viele Pottwale leben heute auf dieser Welt?

930.000 Pottwale soll es nach einer aktuellen Auswertung der Walfängerlogbücher einmal gegeben haben. In den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts ist man sogar von 1.300.000 Tieren ausgegangen. Grundlage für diese Schätzungen waren die Walfangstatistiken der letzten Jahrhunderte. Problematisch an diesen Zahlen ist, dass man früher nicht die erlegten Wale gezählt hat, sondern nur die Ausbeute des Öls festgehalten hat. Dabei lebten die Pottwale, im Gegensatz zu den Glatt-und Grauwalen, die schon viel früher gejagt wurden, lange Zeit relativ ruhig.

Der Pottwalfang begann im 18. Jahrhundert

Der Pottwalfang begann wohl 1712 mit einem Kapitän Christopher Hussey. Er war vor Nantucket auf der Suche nach Nordkapern unterwegs, als ihn ein kräftiger Wind auf die offene See hinaustrieb. Dabei stieß er auf eine Schule Pottwale. Diese Walart war zwar schon bekannt, aber galt wegen ihrer Größe und ihres unberechenbaren Temperaments als nicht jagdbar. Aber unser Kapitän ließ sich nicht beirren, erwischte einen langsam schwimmenden Wal und konnte ihn nach einem mehrstündigen Kampf erlegen und in die Nähe der Küste ziehen. Nachdem man diesen Wal zerlegt hatte, entdeckte man viele Unterschiede zu den bisher getöteten Glattwalen. Pottwale besitzen keine Barten wie die Glattwale, sondern Zähne aus Elfenbein. Ihre Fettschicht ist zwar dünner aber die Qualität des Öls, das aus ihrem Blubber gewonnen wird ist sehr viel besser und war dreimal so viel Wert wie das der Glattwale, weil es heller und mit einer geruchlosen Flamme brannte.

Im Kopf des Pottwals befindet sich dazu eine Substanz aus noch hochwertigerem Öl, das die alten Walfänger aufgrund seiner Farbe und Beschaffenheit Spermaceti nannten, weil sie glaubten, dass dies das Sperma des Pottwals war. Daraus wurden in Neuengland ab Mitte des 18. Jahrhunderts hell brennende und fast rauchlose Kerzen hergestellt, die sich zu einem Exportschlager in Europa entwickelten.

Der Pottwal wurde zum Star der Walfänger

Der Pottwal war nun der Star der Walfänger. Doch bald waren die Bestände in den küstennahen Gewässern ausgerottet. Daher wurde In den nächsten Jahren das Jagdgebiet zunächst auf den Nordatlantik und später auch in den Südatlantik ausgedehnt. Da im Atlantik immer weniger Pottwale gefangen werden konnten, wurden die Fahrten nun auch auf den Pazifik und den Indischen Ozean ausgeweitet Die amerikanische Walfangindustrie entwickelte sich zum Weltführer. 1846 befuhren 735 amerikanische Walschiffe die Meere, das waren 80 % der gesamten Walfängerflotten.  Aber man war ja immer noch mit Segelschiffen unterwegs, jagte die Wale von Ruderbooten aus und benutzte Handharpunen. Durch diese mühselige Art der Jagd wurden die Bestände kaum gefährdet. Leider gibt es keine zusammenhängenden Statistiken, sondern nur die Logbücher einzelner Schiffe, in die die Ausbeute an Öl niedergeschrieben wurde. Rechnet man das auf die gesamte Flotte hoch könnten es etwa 100.000 Pottwale gewesen sein, die zu dieser Zeit verarbeitet wurden. Das änderte sich aber schlagartig als der industrielle Pottwalfang begann, der mit Fabrikschiffen, schnellen Dampfschiffen mit Harpunenkanonen, die der unsägliche Norweger Sven Foyn ein paar Jahrzehnte zuvor entwickelt hatte, nun ganze Schulen ausrotten konnte.

Von 1900 bis 1999 wurden auf diese Weise 761,523 Pottwale dahingerafft

Allein in den Jahren 1969 bis 1975 wurden jedes Jahr mehr als 10.000 Pottwale getötet. Das ist die offizielle Zahl. Aber Onassis, die Sowjets und andere Flotten töteten in dieser Zeit viele Wale illegal, die daher auch nicht in den Statistiken auftauchten. Nach dem Ende der UdSSR kamen dann Berichte ans Licht die zeigen, dass etwa 175.000 Pottwale an der offiziell genannten Quote vorbei getötet wurden.

Wie sieht es heute aus?

Wie sieht es nach diesem Gemetzel und dem Moratorium zum Walfang aus dem Jahr 1982 dann heute aus? Zahlen sind rar und da ist es auch kein Wunder, dass sich kaum ein Wissenschaftler dabei gerne aus dem Fenster lehnt. Wie zählt man Wale? Und selbst wenn es in einem kleinen Bereich gelingen sollte, wie sollte man diese Zahlen hochrechnen können? Wir haben es vor Dominika versucht. Seit über zwanzig Jahren zählen wir dort jeden einzelnen Pottwal. Dafür muss man diese zunächst identifizieren, damit man sie nicht mehrfach zählt. Daraus ergaben sich 58 Wale, die wir in diesem Gebiet sicher erkennen konnten.

Aber es gab auch Geburten und einige Wale sahen wir nie wieder, so dass sich diese Zahl immer ein wenig veränderte. Dazu zogen auch immer wieder Wale durch, die wir noch nie zuvor gesehen haben. Diese blieben ein paar Tage und waren dann wieder verschwunden. Migranten, wohl auf der Suche nach ergiebigen Futtergründen. Sollten wir die mitzählen, oder sind die schon anderswo gezählt worden? Man sieht, diese Walzählerei ist schwierig. An manchen Stellen versucht man es auch schon mal von einem Flugzeug aus und geht davon aus, dass 20% der Wale an der Oberfläche sind. Das könnte sein, muss aber nicht. Außerdem lassen sich von hoch oben in der Luft auch keine einzelnen Wale identifizieren. Aber aus all dieser Zählerei in einzelnen Gebieten hat Hal Whitehead, der weltweit anerkannte Pottwalexperte, auf einen heutigen Bestand von etwa 360.000 geschlossen. Was blieb ihm auch übrig.

Dies ist eine der am häufigsten gestellten Fragen überhaupt und „ich habe keine Ahnung“ ist für den führenden Kopf der Experten eben keine Option.

In dem neuesten 5 Jahres Bericht der NOAA, National Marine Fisheries Service Office of Protected Resources Silver Spring, MD, wurden nun einige der Bestandszahlen präzisiert. Viele der veröffentlichten Zahlen sind allerdings als unsicher eingestuft, so dass sie nur einen Anhaltspunkt bieten können. Interessant sind sie aber allemal. So werden für den gesamten Nord Atlantik nach einer Studie aus 2009 11.185 Pottwale angegeben.

Für unser Forschungsgebiet in der Ostkaribik schätzen die beiden Pottwalforscher Hal Whitehead und Shane Gero den Bestand auf 245. Im Golf von Mexiko werden 763 Wale vermutet, so dass der gesamte Karibikbestand etwa 1000 Tiere umfasst. Für das Mittelmeer existieren zwei Studien aus 2012 und 2014, die aber sehr unterschiedlich ausfallen. Die erste Studie geht von einem Bestand von weniger als 2500 erwachsenen Tieren aus, während die zweite auf Basis einer Photoidentifikation, die von 1990 bis 2008 durchgeführt wurde, nur auf etwa 400 erwachsene Tiere kommt.

Der Pazifische Ozean wurde in mehrere Bereiche untergliedert, um eine bessere Einschätzung zu erlangen. Danach soll es im Nordpazifik je nach genutzter Zählmethode zwischen 26.300 und 32.100 Pottwale geben. Für die US Amerikanische Westküste werden 2106 Wale genannt. Für den tropischen Ostpazifik beläuft sich die Zahl auf 22.700 Pottwale, während für die Hawaii Inseln Zahlen zwischen 6919 bei einer Untersuchung in 2002 und 3354 in einer Zählung in 2010 genannt werden. Die Baja California beherbergt nach einer Untersuchung aus 2001 1640 Pottwale. Die letzte Schätzung für den Indischen Ozean datiert aus 1977 und nennt etwa 300.000 Tiere. Allerdings wurden diese Zahlen aufgrund eines angenommenen historischen Bestandes ermittelt, von dem dann die bekannten Walfangdaten herausgerechnet wurden. Diese Schätzung wird als sehr unzuverlässig und nicht relevant eingestuft. Auch darf man nicht übersehen, dass aus einigen Meeresgebieten überhaupt keine Zahlen vorliegen.

So fehlen Daten aus dem Südpazifik, aus Australien, Neuseeland und dem gesamten südostasiatischen Raum. Ziel dieser ganzen Schätzerei ist zu ermitteln, ob sich die Bestände wieder erholen. Dies ist wichtig für die IWC, die Internationale Walfang Kommission, in der vor allem die Japaner den Walfang wieder aufnehmen möchten, aber auch für die Verwalter des Washingtoner Artenschutzabkommens und der CITES, die den Handel mit gefährdeten Arten überprüft. Die NOAA kommt aber zu dem Schluss, dass die Daten nicht gut genug sind, um irgendeinen Trend auszumachen und empfehlen weiterhin den Pottwal als gefährdet einzustufen.


Pottwalfänge weltweit 1900 – 1990:   768.693

von bis
Bestand vor der Walfangzeit 930.000  — 1.260.000
Bestandsschätzungen Heute
Nordatlantik Gesamt 11.185
Nordatlantik West 1.815  — 2.288
Mittelmeer 400  — 2.500
Ostkaribik 245
Golf von Mexiko Nord 560  — 763
Nordpazifik 26.300  — 32.100
Tropischer Pazifik Ost 14.800  — 34.600
USA Westküste 751  — 971
USA Hawaii 2.539  — 3.354
Baja California West 1.640
Bestandszählungen Weltweit
(ohne Indischer Ozean)
89 649
Zuzüglich Indischer Ozean
(Sehr unsicher lt.Studie)
299 400

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  • Pottwale - Im dunklen Blau des Meeres
  • Wale Hautnah - Das Buch
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