Blauwale – „Born in the USA?“

Zugegeben, die Frage klingt provokativ. Aber ganz abwegig ist sie auch nicht, wie wir noch sehen werden …
In unserem Buch „Wale – hautnah“ haben wir ja schon ausführlich über den Stand der Forschungen über Blauwale berichtet.

Nun gibt es eine neue Studie aus dem Jahre 2013, an der auch Richard Sears und John Calambokidis mitgearbeitet haben, die wir bereits in unserem Buch als führende Blauwal Experten zitiert haben. Sears, der vor allem die Blauwale im St. Lorenz Golf studiert hat und Calambokidis, der seit vielen Jahren die Blauwal Population an der westamerikanischen Pazifikküste beobachtet, berichten einheitlich, dass die Kälber von Blauwalmüttern, wenn sie ihre Fressgebiete aufsuchen, immer bereits einige Wochen alt sind und schon eine Länge von zehn Metern erreicht haben. Wo sie aber geboren werden, liegt weiterhin im Dunklen. Dies bleibt es auch nach der oben erwähnten neuen Studie. Aber sie lässt  mindestens Rückschlüsse zu, wo und wann die Babys zur Welt kommen könnten.

Wir haben die Blauwale im Ostpazifik ja ebenfalls schon mehrmals beobachtet. Sie halten sich von Januar bis Ende März in der Sea of Cortez in Mexiko oder im Gebiet des Costa Rica Domes etwa 500 km westlich Costa Ricas auf. In dieser Zeit blüht dort das Phytoplankton, von der sich die Leucht- und Ruderfußkrebse ernähren, die hier den von Bartenwalen geschätzten Krill bilden. Wenn sie in diesen Gebieten auftauchen, sind die Kälber, wie wir ja schon selbst feststellen konnten und wie es auch die Studie belegt, bereits zwei bis drei Monate alt. Ihre Geburtslänge wird auf sechs bis sieben Meter geschätzt. Wenn sie nach sieben Monaten entwöhnt werden, haben sie bereits eine Länge von 14 Metern.

Da die beobachteten Kälber allesamt schon über 10 Meter lang waren, lag ihre Geburt demnach schon ein paar Wochen zurück.

Ab April  erwärmt sich das Wasser vor der Kalifornischen Halbinsel dann langsam und die Algenblüte beginnt. Davon ernährt sich das im Krill versammelte Zooplankton und bildet um diese Zeit große Schwärme, die mit der weiteren Erwärmung des Wassers nach Norden ziehen und sich so während des Sommers entlang der Küste bis nach Alaska den Bauch vollschlagen. Diesen Schwärmen folgen dann auch die Blauwale. Wenn sie im Juni/Juli Kalifornien erreichen, sind die Kälber bereits von der Muttermilch entwöhnt und ernähren sich nun auch von der Krillmasse. Immer weiter ziehen sie nach Norden, bis der Sommer zu Ende geht, das Wasser wieder abkühlt und der Krill seine Winterruhe beginnt.

Was machen die Wale nun?

Da sie, wie erwähnt, im Januar wieder in der Sea of Cortez auftauchen, ziehen sie wieder südwärts. Allerdings tun sie dies nicht an der Küste entlang, denn dort hat noch nie jemand südwärts ziehende Wale beobachtet. Sie wandern also weit in die offene See hinaus, weitab von menschlichen Aktivitäten. Während dieser Zeit bringen sie nun ihre Babys zur Welt, mit denen sie dann, zwei bis drei Monate später wieder an der Küste auftauchen.

Diese Geburt auf hoher See hat noch einen weiteren Vorteil für die Wale

Wenn der Krill zahlreich ist, ernähren sich auch viele Fische davon, die wiederum Beutetiere für Delfine und Robben sind. Diese wiederum ziehen Orcas an, auf deren Speiseplan diese Tiere ganz oben stehen.

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So sind sie im Sommer häufig an den Küsten anzutreffen. Große Blauwale gehören nicht zum Speiseplan dieser Tiere, obwohl mindestens ein Fall dokumentiert ist, in dem  Orcas einen Blauwal tödlich verwunden. Aber ein neugeborenes Blauwalkalb wäre wohl durchaus eine Option.

Dadurch, dass die Geburten aber weit im offenen Ozean stattfinden, entgehen die Blauwalmütter dieser Gefahr. Auf dem Weg zurück in den Süden ziehen die Wale also weit von der Küste entfernt nach Süden. 

Wenn sie dort ihre Babys bekommen, befinden sie sich wohl westlich der USA, wenn auch weit von der Küste entfernt. Daher hat die Titelfrage also durchaus ihre Berechtigung. Inzwischen schätzt man die Zahl der Blauwale im Ostpazifik auf 3000. Diese Anzahl nährt die Hoffnung, dass sich die Blauwale hier wieder vermehren können und uns die größten Tiere der Welt, trotz des hirnlosen Gemetzels im letzten Jahrhundert, erhalten bleiben, wenn wir es schaffen ihren Lebensraum zu schützen.

Quelle: Reproductive parameters of eastern North Pacific Blue Whales Richard Sears von Mingan Island Cetacean Study, Quebec, Canada.

John Calambokidis, Cascadia Research Collective

Washington, USA, Published October 2013

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